Freitag, 4. Januar 2019

Zauber des Anfangs


Zum neuen Jahr und fast noch taufrischen Blog das Gedicht über die Vergänglichkeit, über die Notwendigkeit von Abschied und Neubeginn. Ich finde, keiner hat es es je besser und poetischer ausgedrückt! Den meisten von uns sind diese Strophen sicher wohlbekannt, besonders der vielzitierte Vers in der Mitte: "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben." Und doch kann man sie immer wieder lesen ...

Ich kenne das Gedicht schon lange, und dann vergaß ich manche seiner Worte wieder und entdeckte sie irgendwann neu ... Nun hat "Stufen" im letzten Jahr eine extrem persönliche Bedeutung dazugewonnen: Bei unserer Trennung brachte mein (Ex-)Freund kein Wort heraus. Er umarmte mich nur, und hielt dieses Gedicht - in seiner Schreibschrift verfasst - in den Händen. Ich blickte kurz darauf und wusste Bescheid. Hesses Zeilen hatten ganz zu-fällig schon ein paar Tage zuvor zu mir gefunden. Und kurz darauf standen sie auch in dem liebevollen Brief einer neugewonnenen Herzensfreundin ...

Und nun wage ich ihn, den Neuanfang, in der Liebe und im Beruf - eine ganz schöne Herausforderung! Mögen diese Zeilen mich begleiten und leiten ... Und euch auch ...! Für viele von uns war 2018 voller Brüche und Um-brüche - ich wünsche uns, dass wir sie 2019 in einen sinnvollen, glücklichen Auf-bruch verwandeln, mutig neue Wege gehen und uns, wie Hesse es propagiert, von diesem Veränderungsprozess heben und weiten lassen. Hinan, hinab, mitten hinein in all die wunderschönen neuen Lebensblüten ...



Stufen 

        von Hermann Hesse


Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.

Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf’ um Stufe heben, weiten.

Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegensenden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!










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